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Jetzt ist es also so weit: Es gibt offizielle Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP. Und mit den Verhandlungen kommen die Spekulationen und Diskussionen über politische Folgen. Ganz besonders steht dabei die Klimakrise im Raum. Der gefühlte Showdown liegt in der Diskussion gerade beim Thema Mobilität: Tesla platziert sich mit seiner „Gigafactory“ jetzt auch in Europa, Lastenräder sollen subventioniert werden und VW beschließt das Ende des Verbrennungsmotors. Klimaschutz kommt jetzt vor Autokult. Damit sollte die Klimakrise ja gelöst sein – oder?

So einfach ist es leider nicht. Das Thema beschäftigt nicht nur Entscheidungsträger. Es beschäftigt alle möglichen Leute – Leute wie mich. Leute, für die ein Auto für mehr als nur Mobilität steht. Denn trotz aller Vernunft, der Faktenlage und des Umweltbewusstseins interessiere ich mich noch immer für Autos. Nein, nicht für einen Tesla oder einen BMW i3, sondern für Autos mit „richtigen“ Motoren. Autos aus den Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahren. Autos, die schnell, laut und oft in Hobbygaragen zu finden sind. Autos mit einer schlechten Klimabilanz. Wie passt das zusammen?

Mobilität verändert sich – Der Autokult bleibt

Erstmal ist es wichtig, dass einem als Autofan klar wird: Mobilität wird sich verändern. Genau diese Veränderung hat in der Vergangenheit Innovationen hervorgebracht. Gerade japanische Autos lösten in Amerika während der Ölkrise Anfang der Achtziger Jahre viele uralte V8-Motoren ab, da diese einfach zu unwirtschaftlich wurden. Heute sind die damaligen Innovationen die, die abgelöst werden sollen. Auch wenn es einige zunächst ärgert, aber in 50 Jahren sagen wahrscheinlich wenige: „Schade, dass wir nicht mehr Unmengen an Benzin verbrennen“.

Ganz verdrängt sind die uramerikanischen Oldtimer aber nicht. Die japanischen Autos der Achtziger Jahre werden auch noch eine Weile erhalten bleiben. Es wird immer Leute geben, die Autos umbauen, herrichten oder einfach nur herumstehen lassen, bis sie sich ihre geplanten Umbauten leisten können. Im amerikanischen Sprachraum sind das oft „project cars“ – nicht nur ein Auto, sondern ein Projektauto. All diese Relikte aus vergangenen Zeiten findet man noch, nur fährt damit kaum einer ernsthaft jeden Tag zur Arbeit.

Und genau das ist der Punkt. Der Kult um viele dieser Fahrzeuge ist erhalten geblieben. Um eine Kultur zu erhalten, muss sie nicht den Alltag der meisten Menschen bestimmen. Denn Mobilität ist noch viel mehr als nur Automobile. Und wenn ich in Zukunft jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre und an schlechten Tagen die U-Bahn nehme, dann kann ich auch bedenkenlos in meiner Freizeit mit einem alten Auto fahren. Und ganz ehrlich: Das bereits erwähnte Projektauto ist ohnehin selten in einem Zustand, dass man damit fahren kann.

Kein Schubladendenken – Jeder ist Teil der Klimakrise

Wer dennoch ein altes Auto für den Alltag nutzt, tut zumindest das. Er nutzt das Auto, am besten so lange wie möglich. Auch darin kann eine Form der Nachhaltigkeit liegen. Laut dem Verkehrsclub Österreich entstehen abhängig von der Fahrleistung 15 bis 20 Prozent der CO2-Emissionen bei der Herstellung eines Fahrzeugs. Ein mittelmäßig genutztes, funktionierendes Fahrzeug zu entsorgen, um dann ein Elektroauto zu kaufen, macht gegebenenfalls also wenig Sinn. Auch so kann Autokult und Klimaschutz laufen.

Zuletzt sollte man sich als Fan des Autokults vor allem nicht in die Schublade der Klimaleugner stecken lassen. Nicht aus den eigenen Reihen und nicht aus den Reihen anderer. Denn auch als Autofan kann man Fakten wahrnehmen und seinen Teil zur Lösung der Umwelt- und Klimakrise beitragen. Am Ende braucht der Interessenkonflikt dahinter wahrscheinlich eine Mischung aus Verständnis, Innovationen und Kompromissen. Konkrete Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz werden zeigen, wie sich die Zukunft der Mobilität entwickelt. Sicher ist dabei, dass die Mobilität sich umfassend verändert. Das scheint auch den aktuell miteinander verhandelnden Parteien dieser Wahl klar zu sein. Wie stark Verständnis, Innovationen und Kompromisse in den aktuellen Koalitionsverhandlungen Beachtung finden, bleibt abzuwarten. Dem Autokult und dem Klimaschutz zuliebe.

 

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