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Böse Zungen behaupten, Smart-Home-Anbieter missbrauchen mit Alexa-Wanzen in Wohnzimmern unsere Daten und nehmen uns unsere Privatsphäre. Dabei haben es Amazon und Google nicht nötig, auf Smart-Home-Systeme zurückzugreifen, um Daten zu sammeln. Schließlich geben wir, dank Smartphones und Smartwatches, bereits mehr als genug über uns Preis. Die Panik, durch Smart Home noch viel mehr Privatsphäre einzubüßen, ist deshalb übertrieben und irrational.

Das bedeutet Smart Home

Es scheint, die Hersteller machen sich einen Spaß daraus, grundsätzlich und inflationär vor jeden Produktnamen das Wort „Smart“ zu schreiben. Das macht den Begriff Smart Home sehr dehnbar. Insbesondere die Sprachsteuerungssystem-Komponente, sorgt für viel Gesprächsstoff bei den selbst ernannten Smart-Home-Experten.

Das gefährliche Experten-Halbwissen von gehackten Wanzen und Anbietern, die Daten verkaufen, versetzt Unwissende in Angst und Schrecken. Fakt ist, nicht jeder Alexa-Besitzer lebt automatisch in einem intelligenten Zuhause. Tatsächlich geht es bei Smart Home um etwas anderes als eine technische Spielerei, die nur für diejenigen in Frage kommt, die sowieso schon die Kontrolle über ihre Privatsphäre verloren haben.

Energieeffizienz und Sicherheit sind wichtige Bestandteile eines intelligenten Eigenheims. Dabei ist beispielsweise die Steuerung der Innenbeleuchtung durch Lichtsensoren vom Tageslicht abhängig und passt sich diesem an. Durch die Sensoren lässt sich das Licht bei strahlendem Sonnenschein nicht einschalten. Fenstersensoren erkennen geöffnete Fenster und regulieren die Heizung. Alles nicht besonders nennenswerte Informationen aus dem Privatleben. Ob es die Hersteller wirklich interessiert, wann wir lüften? Selbst wenn, mit diesen Informationen gibt wohl niemand sensible Einblicke in sein Privatleben.

Außerdem schonen die Sensoren durch den eingesparten Strom nicht nur die Umwelt und den Geldbeutel. Sie sorgen für Sicherheit im Eigenheim, indem sie Einbrecher registrieren, daraufhin einen Alarm auslösen oder eine Nachricht auf das Smartphone senden. Während des Urlaubs ermöglicht das Smart-Home-System die Anwesenheit von Personen zu simulieren. Rollläden fahren morgens hoch und abends wieder herunter. Mal brennt das Licht am Abend im Wohnzimmer, mal brennt es im ganzen Haus. Eine gute Methode, um das Einbruchsrisiko zu reduzieren und sich zu schützen. Unumstritten dringt ein Einbrecher mehr in das Privatleben ein als jedes Smart-Home-System.

Big Data und Smart Home: Die Methoden der Hersteller

Zu den wohl beliebtesten Smart-Home-Komponenten gehören Sprachsteuerungssysteme. Alexa von Amazon, Google Home und Apple Home-Pod halten nicht nur bei der jüngeren Generation Einzug. Doch mit dem neuen Mitbewohner schwindet ein Teil der Privatsphäre, denn Amazon und auch andere Anbieter speichern die Daten. Ein scheinbar hoher Preis für ein wenig mehr Bedienkomfort.

Neben dieser offensichtlichen Methode Daten zu sammeln, gibt es weitaus subtilere Wege, die Hersteller einschlagen, um mehr über uns zu erfahren. Dafür müssen wir keinen Laut von uns geben, denn so gut wie alle Verhaltensweisen und Gewohnheiten liegen in einem Smart-Home-Haushalt offen. Anbieter kennen Essgewohnheiten, weil man über den smarten Kühlschrank eine Einkaufsliste erstellt oder gleich online nachbestellt. Das geht bis hin zu den privatesten Details von Tagesabläufen, wie der Zeitpunkt der Morgenroutine oder Ähnlichem.

Trotzdem wäre es zu einfach, allein den Herstellern die Schuld an ungewollter Datenübertragung in die Schuhe zu schieben. Auch der Mensch, der die Geräte unsachgemäß installiert, konfiguriert und sich nicht um die Aktualisierung kümmert, unterstützt die massive Datenübertragung. In den meisten Fällen können Nutzer über die Menge an übertragenen Daten bestimmen und sich so einen Teil ihrer Privatsphäre sichern. Das gilt auch für die Datenverarbeitung der Sprachsteuerungssysteme: Sicherheitsbewusste entscheiden selbst, welche Daten sie frei geben und können auch verlangen, sie zu löschen.

Die Sorge um die bereits verlorene Privatsphäre

Die Panik vor neuen Technologien gehört wohl einfach dazu. Wer den Smart-Home-Trend mitmacht, kann sich seinen Alltag oft vereinfachen, büßt dafür aber einen Teil seiner Privatsphäre ein. Die Datensammlungen der Anbieter sind wohl weniger Spionageangriffe auf die Nutzer, als Bestandteil des Geschäftsmodells und der Versuch das System zu verbessern. Schließlich können Hersteller nur so die Verhaltensweisen analysieren und damit den Alltag der Nutzer komfortabler machen.

Die Verteufelung des technischen Fortschritts oder Smart-Home-Abstinenz ist auch kein Garant für mehr Privatsphäre. Denn es gibt eine Wanze, die wir in unserer Hosentasche herumtragen. Ganz freiwillig. Und wer will heutzutage auf sein Smartphone verzichten?