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Wissenschaftler analysieren mit Kryo-Elektronenmikroskopie kleinste Moleküle im natürlichen Zustand: Am Max-Planck-Institut für Biochemie erforschen sie die dreidimensionale Struktur von Zellen und Proteinen.

Der Nobelpreis für Chemie ging 2017 an Jacques Dubochet, Richard Henderson und Joachim Frank, die Entwickler der Kryo-Elektronenmikroskopie. Diese Methode beschleunigt die Entwicklung von Medikamenten wie zum Beispiel gegen das Zika-Virus. Zuständig für die fünf Kryo-Elektronenmikroskope des Max-Planck-Institut ist Facility-Manager Daniel Bollschweiler.

Häusler: Was sind Ihre Aufgaben als Facility-Manager am Max-Planck-Institut?

Bollschweiler: Wir haben derzeit circa 50 User aus allen Abteilungen des Max-Planck-Instituts, die wir entsprechend an den Mikroskopen einweisen und betreuen. Wir versuchen zum Beispiel Problemstellungen zu lösen, damit auch gute Signale gemessen werden. Speziell die besondere Aufarbeitung und Anforderungen an das Probenmaterial sind solche Problemstellungen. Im weitesten Sinne kümmern wir uns auch um die Infrastruktur, also darum, dass die Mikroskope zuverlässig laufen und gut in Schuss sind.

Das mikroskopische Paradoxon – je kleiner das Bildergebnis, desto größer das Mikroskop (Bild: Lora Seis)

Häusler: Was war Ihr erster Kontakt mit der Kryo-Elektronenmikroskopie?

Bollschweiler: Ich habe ursprünglich meine Doktorarbeit hier bei der Arbeitsgruppe Baumeister geschrieben und mich ein bisschen in die Kryo-Elektronenmikroskopie verliebt. Der erste Eindruck, der sich mir bei meiner Vorstellung geboten hat, war eine E.Coli-Zelle auf einem großen 27 Zoll Bildschirm, mit allen Details. Man konnte die Zellmembran sehen und verschiedene Zellorganellen erkennen. Das fand ich einfach irre.

Häusler: Sie sind Spezialist, aber wie kann man das Prinzip der Kryo-Elektronenmikroskopie einfach erklären?

Bollschweiler: Ein Elektronenmikroskop ist wie ein Lichtmikroskop, das anstatt einer Glühlampe eine Elektronenquelle hat. Der Elektronenlaser wird von einem Linsensystem in die richtige Form gebracht, um optisch eine gute Auflösung zu erzielen. Das Linsensystem besteht nicht aus Glaslinsen, sondern Elektromagneten. Da aber die Elektronen hochenergetisch sind und bis zu 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit auf dem Kasten haben, gehen unsere biologischen Proben natürlich kaputt. Wir müssen also sehr vorsichtig sein.

Häusler: Was bedeutet vorsichtiges Vorgehen bei biologischen Proben?

Bollschweiler: Unsere biologischen Proben sind Proteine und Zellen. Die Dosis an Elektronen ist wichtig. Bei anderen Materialien wie zum Beispiel Metallen darf eine tausendfach höhere Dosis verwendet werden, als es bei unseren biologischen Proben der Fall ist. Das heißt aber auch, dass unsere Bilder extrem verrauscht sind. Das ist eine der ganz großen Herausforderungen der Kryo-Elektronenmikroskopie. Der Nobelpreis letztes Jahr wurde zum Teil für die verbesserte Signalherausarbeitung solcher Proben vergeben.

Häusler: Und wie kommt das „Kryo“ ins Spiel?

Bollschweiler: Biologische Proben, wie Proteine und Zellen, werden auf minus 180 Grad heruntergekühlt und gehalten, dieser Vorgang nennt sich Vitrifikation. Was dabei passiert ist, dass wir unsere Proben extrem schnell abkühlen. Das Wasser hat dann keine Zeit, sich kristallin auszurichten, sondern besteht in einem glasartigen Zustand. Das ist ziemlich nah an dem natürlichen Zustand der Probe, als sie noch fröhlich herumschwamm. Auf diese Weise kann sie nun im Mikroskop betrachtet werden, ganz ohne chemische Fixierung.

Häusler: Wie entsteht dann das typische 3D-Bild der Kryo-Elektronenmikroskopie?

Bollschweiler: In der Art, wie wir unsere Ergebnisse erhalten, müssen wir immer Tausende von Aufnahmen machen, die das gleich Protein in vielfacher Ausführung zeigen. Eine einzelne Aufnahme eines Proteins ist zu verrauscht, um es in einer hohen Auflösung zu interpretieren. Der Computer schafft es die jeweiligen Aufnahmewinkel des Proteins zu erkennen und aus den vielen Aufnahmen eine dreidimensionale Struktur zurückzurechnen.

Kleine Moleküle ganz groß – das Kryo-Elektronenmikroskop macht alles sichtbar.

Häusler: Was ist das besondere an den Ergebnissen der Kryo-Elektronenmikroskopie?

Bollschweiler: Durch das Einfrieren können wir nicht nur herausfinden wie die Proteine natürlich aussehen, sondern in welchem Zustand sie sind, ob und mit was sie interagieren. Die Arbeitsgruppe Baumeister entwickelte eine Methode, mit der man zum Beispiel eine Art Landkarte eines Zellkerns erstellen kann. Man erhält also eine dreidimensionale Abbildung von allen Strukturen im Zellkern. Kennt man die Struktur eines Proteins, kann man mit dem Computer gezielt danach suchen, und herausfinden, wo im Zellkern dieses Protein vorkommt.

Häusler: Wie beurteilen Sie den Stand der Kryo-Elektronenmikroskopie in der Forschung?

Bollschweiler: Es tut sich gerade ein riesiges Potenzial für die Kryo-Elektronenmikroskopie auf. Sie ist noch in den Kinderschuhen und in der Entwicklungsphase. Die Detektoren und die Algorithmen zur Datenverarbeitung werden besser. All die technischen Neuerungen haben ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass es letztes Jahr den Nobelpreis dafür gab.

Häusler: Vielen Dank für das Gespräch und den Einblick in die Kryo-Elektronenmikroskopie.