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Technische Dokumentation aus einem Guss, selbst bei vielen Quellen: Ein Studierendenprojekt der Hochschule München simuliert, wie technische Informationen im Maschinen- und Anlagenbau intelligent bereitgestellt werden. Die Hochschule München stellt ihre Lösung auf der Tekom-Jahrestagung in Stuttgart dem Fachpublikum aus der Welt der Technischen Kommunikation vor.

Informationen zentral statt aus vielen Quellen

Die Tekom-Jahrestagung in Stuttgart ist gut besucht. Doch ein Messestand, an dem sich eine Maschine bewegt, zieht die Aufmerksamkeit der vorbeigehenden Messebesucher auf sich: Dort steht die Fischertechnik Lernfabrik 4.0 auf einem Sockel. „Schau nur – jetzt werden die Steine nach Farbe sortiert!“, stellt eine junge Frau begeistert fest. „Und nun holt der Roboterarm die Steine aus dem Lager und schiebt sie in den Brennofen.“

Hinter der Fabriksimulation steckt mehr als die Faszination der Robotik: „Wir stellen hier die Wirklichkeit des Maschinen- und Anlagenbaus dar“, erklärt Karsten Schrempp, Geschäftsführer von Pantopix und einer der Projektpartner.

Gemeinsam mit der Hochschule München arbeitete er an einer Lösung, um technische Informationen besser bereitzustellen. „Besser“, das heißt konkret: Informationen müssen nicht aus mehreren Quellen zusammengetragen werden, sondern stehen kompakt auf einer Plattform zur Verfügung. Diese Technische Dokumentation umfasst alles, was für Anwender wissenswert ist. Die Zusammenarbeit initiierte Martin Ley, Studiengangsleiter für Technische Redaktion und Kommunikation an der Hochschule München und Professor für Strukturierung und Standardisierung von Technischer Dokumentation.

Informationen intelligent bereitstellen

An den bunten Steinen der Lernfabrik sind QR-Codes angebracht. Ein Piepton wie bei einer Supermarktkasse signalisiert: Der Code wurde eingescannt und der Stein erfasst. Mit dem Code können zum Beispiel Servicemeldungen wie „Filter reinigen” ausgelesen werden.

Ein großer Bildschirm hinter der Lernfabrik zeigt die dazugehörigen Informationen. „Das ist unser Einstiegspunkt. Hier treffen die Welten der Technischen Dokumentation und die des Anlagenbaus aufeinander. Damit das funktioniert, müssen die Metadaten passen“, erklärt Maximilian Gärber, Managing Partner der axxepta solutions. Er programmierte die Software zur Verknüpfung von Servicemeldung und entsprechendem Baustein der Technischen Dokumentation.

Metadaten sind Daten über die Bausteine der Technischen Dokumentation und beschreiben, welche Funktion der jeweilige Baustein übernimmt.

In der Praxis erstellen die Hersteller einzelner Maschinen die zugehörige technische Dokumentation. Hierbei kommt unterschiedliche Software, die Metadaten für jeden Baustein der Dokumentation vergibt, zum Einsatz. Da eine Anlage aus Maschinen mehrerer Hersteller zusammengesetzt ist, müssen auch die Prozesse und Dokumentationen unterschiedlicher Hersteller kombiniert werden.

Studierende der Hochschule München stellten diese Praxis mit mehreren Teams nach. Auch die Metadaten ihrer Lernfabrik stammten aus verschiedenen Quellen und stimmten nicht automatisch überein. Die Studierenden schafften, was sich Anwender in der Praxis wünschen: Sie überführten die heterogenen Daten konsistent in eine übergreifende Netzstruktur.

Flexible Suche dank Netzwerkstrukturen

Warum die Studierenden die Informationen in einem Netz darstellen, erklärt Andreas Schönhals, Student im Studiengang Technische Redaktion und Kommunikation, an einem einfachen Beispiel: „Ein Netz gibt keine Richtung vor. Es ermöglicht also mir als Anwender, die passenden Informationen in mehrere Richtungen zu finden. Wenn ich zum Beispiel nach dem Begriff ‚Auto‘ suche, bekomme ich auch Infos zu den Bestandteilen wie Reifen, Lenkrad und Innenspiegel. Wenn ich aber nach dem Begriff ‚Reifen‘ suche, kann ich zwischen Reifen für PKWs und LKWs auswählen.“

Studiengangsleiter Ley stellt die Verbindung zum übergeordneten Ziel des Projekts her: „Die Vorgehensweise ist wichtig, um dem Anwender genau die Informationen zur Verfügung zu stellen, die er braucht.“

Am Beispiel der Lernfabrik erleben die Messebesucher, was intelligent bereitgestellte Informationen bedeuten: In Zukunft ist es nicht mehr notwendig, Schritte für „Filter reinigen“ aus vielen Ordnern Papier oder Festplatten voller PDF-Dateien suchen. Stattdessen sind alle Dokumentationen genauso nahtlos in eine Oberfläche integriert, wie die Maschinen unterschiedlicher Hersteller. Das ermöglicht, dass der Wartungsprozess ebenso aus einem Guss abläuft, wie der Produktionsprozess.

Der nächste Schritt: Standards für Metadaten

Die Projektpartner sind sich einig, was am Messestand im Modell gezeigt wurde, wird in Zukunft die Praxis im Maschinen- und Anlagenbau prägen. Damit das möglich wird, arbeiten die Projektbeteiligten an der Entwicklung übergreifender Standards für Metadaten.

Inzwischen erfreut sich die nächste Gruppe von Messebesuchern an der Lernfabrik, die Steine in das Hochregal einsortiert: „Das ist meditativ. Ich könnte den ganzen Tag zuschauen“, stellen Messebesucher verträumt fest. Einen Schritt weiter erkennen die Besucher, wie wertvoll es für sie ist, Informationen intelligent bereitstellen. Und das begeistert erneut.