Die Corona-Pandemie hat dramatische Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Ein Bereich scheint jedoch von der Krise zu profitieren: die Digitalisierung. Jüngst sprach der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble von einem „starken Schub in Richtung Digitalisierung“ durch Corona. Techtalkers beleuchtet nun eine vermeintliche Gewinnerin der Stunde: die digitale Bildung, denn hier macht sich eine interessante Bewegung bemerkbar. Digitale Bildungseinrichtungen aus der Region und der Welt öffnen gerade Interessierten ihre Tore.
Über den Markt
E-Learning-Plattformen zum Sprachenlernen wie Babbel, Busuu oder Preply vermelden in Zeiten der Isolation mehr Registrierungen. Mit diesem Phänomen befasst sich auch das mmb Institut für digitales Lernen. In einer Blitzbefragung befragte das Institut 64 E-Learning-Unternehmen und kam zu einem überraschenden Ergebnis: Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen verzeichnen derzeit keine spürbaren Veränderungen in der Umsatzentwicklung. Nur 27% der Unternehmen meldeten einen Umsatzzuwachs. Dementgegen stehen 25% mit einem Umsatzrückgang. Anders sieht es aber bei den Beratungsdienstleistungen für E-Learning aus. Hier rechnen zwei Drittel der befragten Unternehmen mit einer wachsenden Nachfrage. Als Grund geben sie an, das derzeit viele Kunden nach passenden Lösungen und Orientierung bei den vielen E-Learning-Angeboten suchen.
Zur Frage, wie die Entwicklung nach der Corona-Krise wird, gibt es eine hundertprozentige Übereinstimmung: der Aussage „Berufliche Bildung und Weiterbildung wird deutlich und auch nachhaltig ´digitaler´ werden“ stimmen alle Befragten zu.
Das regionale Bildungsangebot kostenfrei und digital
Auf die Pandemie haben auch örtliche Bildungsstätten in München und anderen Teilen Bayerns mit einem digitalen Angebot reagiert. Zu diesen gehören die Volkshochschulen, Bibliotheken und Kulturstätten.
So bietet die Münchner Volkshochschule unter dem Stichwort „MVHS.Heimspiel“ eine Reihe kostenfreier Videos an. Diese drehen sich um Themen wie Gesundheit, Literatur, Philosophie, Geschichte oder Bildende Kunst.
Die Münchner Stadtbibliothek stellt ihr gesamtes digitales Angebot für drei Monate allen Münchnern und Münchnerinnen kostenlos zur Verfügung. Darüber hinaus bieten auch Museen wie das Deutsche Museum oder die Alte Pinakothek virtuelle Rundgänge durch ihre Ausstellungen an.
Wissenschaft, Forschung und Lehre
Auch im tertiären Bildungsbereich hat sich digital einiges getan. Fachverlage und wissenschaftliche Fachzeitschriften stellen große Teile ihres digitalen Angebotes kostenfrei Studierenden und Lehrenden zur Verfügung.
Zum Beispiel die Springer Nature Verlagsgruppe, die einen kostenfreien Zugang zu über 500 Lehrbüchern bereitstellt. Weiter sticht der Pearson Verlag mit einem Testzugang zu 156 Lehrbüchern hervor und auch der Beck Verlag öffnet Hochschulangehörigen seine Zugänge.
Der Verlag Bloomsbury Digital Resources mit Schwerpunkt auf Geistes- und Sozialwissenschaften stellt ebenfalls einen Vollzugriff auf seine Online-Bibliotheken bereit. Des Weiteren stellt die elektronische Zeitschrift „Journal of Visualized Experiments“ Video-Anleitungen aus den Bereichen Naturwissenschaften, Technik und Psychologie zur Verfügung.
Aus Bamberg meldet die Virtuelle Hochschule Bayern – ein Zusammenschluss von 31 Trägerhochschulen – einen starken Zuwachs an Nutzern. So hat sich die Zahl der Studierenden, die das Angebot der klassischen Kurse mit ECTS-Punkte Vergabe nutzen, im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.
Gebührenfreie Online-Kurse für alle
Auch für Interessierte an akademischer Bildung hat die virtuelle Hochschule ein Angebot: Unter dem Stichwort „OPEN vhb“ kann jeder Interessierte kostenfrei Online-Kurse auf Hochschulniveau belegen. Online-Kurse dieser Art, auch MOOCs (Massive Open Online Courses) genannt, erreichten 2011 in Medien besondere Bekanntheit.
Zu den ersten, die MOOCs angeboten haben, gehörten Spitzenuniversitäten wie Harvard, das MIT, Stanford und im deutschsprachigen Raum die TUM. Diese und andere Universitäten bieten auch weiterhin auf Plattformen wie Coursera und edX eine breite Palette an Online-Kursen an.
In April 2020 machte aber eine Studie zu den Entwicklungen und Zukunftsaussichten von MOOCs auf sich aufmerksam. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Studie kam zu der Einschätzung, dass in Deutschland kein grundsätzlicher Ausbau von MOOCs zu erwarten ist. Allerdings ist es möglich, dass sich diese Einschätzung durch den derzeitigen Schub der Digitalisierung durch Corona doch noch ändert.