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Alle Jahre wieder heißt es: „Oh, du schreckliche“. Wieder einmal hat das Christkind nicht richtig aufgepasst und das falsche Weihnachtsgeschenk unter den mit Liebe und Kitsch geschmückten Weihnachtsbaum gelegt. Wenigstens hatte das Christkind noch den Anstand, den Kassenbeleg beizulegen, damit das Objekt des Grauens an den Vorbesitzer zurückgehen kann. Jetzt heißt es, nur noch schnell zum nächsten Konsumtempel und das nur wenige Tage zuvor mühsam und sorgfältig ausgewählte Präsent wieder umtauschen. Wie konnte es nun schon wieder zu einem solchen Fauxpas kommen?

Gesegnet sei der Expressversand

Es ist die unendliche Weihnachtshorrorgeschichte: Alle stellen sich für Stunden an absurd langen Einkaufsschlangen an, drängeln sich verbissen durch das Gemenge, hetzen sich ab – auf der Suche nach unerwünschten Aufmerksamkeiten. In den Geschäften dröhnt wie eine Foltermethode der Neuzeit aus Lautsprechern „Jingle Bells“ und „O Tannenbaum“, als Strafe für die späten Weihnachtseinkäufe. Oh du fröhliche, schnell noch einen Glühwein reingeschüttet und wieder auf in den Weihnachtskampf. Ob es den Heiligen drei Königen wohl auch so ging, als sie die Geschenke für das Christkind besorgten? Sicherlich. Und um die Tradition zu wahren, nehmen wir diese Bürde, selbstlos wie wir sind, jedes Jahr aufs Neue auf uns.

Quatsch. Die Mühe, in der Kälte ein Weihnachtsgeschenk zu suchen, macht sich keiner mehr. Wir schreiben das Jahr 2019, da kommt das Christkind, Knecht Ruprecht, der Weihnachtsmann oder wer auch immer stilecht und ökologisch unfreundlich im Postwagen und liefert voller Elan und Freude die erst 24 Stunden vorher gekaufte Bestellung aus. In diesem Fall hat das Christkind natürlich an den kostenfreien Rückversand und das Rücksendeetikett gedacht.

Oh, du fröhliche – oh, du selige

Das Fest und damit das wahre Trauerspiel beginnt mit der Bescherung. Ist der lang ersehnte, doch eher unbesinnliche Heilige Abend gekommen, schmerzen die Mundwinkel schon nach einigen Minuten. Schuld ist das mit Sicherheit so gut durchdachte Geschenk, das das falsche Lächeln auf das Gesicht zaubert. Die Augen feucht von unterdrückten Tränen, drehen sich die Gedanken bereits um die nächste Umtauschmöglichkeit. Dabei hatte das Gegenüber noch gar keine Zeit sein Geschenk auszupacken und das falsche Lächeln aufzusetzen. Die ganze Farce nur, um den ganzen Plunder dann doch wieder zum Umtauschen zu bringen.

So sitzen alle beieinander. Kinder mit Freudentränen über das falsche Iphone, Eltern mit falschem Lächeln über das xte Paar Socken und ein weiteres selbstgemaltes Bild der eigenen Bälge. Großeltern sitzen mit fragenden Gesichtern über dem neuen Tablet auf dem sie dank Sehschwäche ohnehin nichts lesen können.

Umtauschen: Welch eine Retourkutsche

Nach den Feiertagen stehen sie nun wieder im Paketshop. Allesamt ihre Geschenke mit hässlichen Krawatten, kratzenden Pullovern oder geschmacklosen Dekorationen in der Hand. Auf ihren Paketen klebt fein säuberlich der Retoureschein. Ärgerlich, dass der Weihnachtsmann auf dem Rückweg zum Nordpol nicht noch einmal bei jedem Haushalt einkehrt und die Unaufmerksamkeiten wieder mitnimmt.

Welch Zufall, wenn derjenige, der das unerwünschte Geschenk überreicht hat, auch in der Poststelle auftaucht. Beinahe hätte man ihn nicht erkannt, weil er oder sie die Weihnachtsmütze so tief ins Gesicht gezogen hat, um beim Loswerden der Geschenke undercover zu bleiben. Geistesgegenwärtig ziehe ich mir selbst die Zipfelmütze tiefer ins Gesicht und hoffe, bei der eigenen Tat nicht ertappt zu werden.

Wer braucht schon Geschenke

Wäre es nicht einfacher, direkt das unpersönlichste aller unpersönlichen Geschenke zu überreichen? Der gute alte Geldumschlag, der so viele Augen zum Leuchten bringt, weil er einem den Weg zum Umtauschen erspart. Warum sollte man denn auch Geschenkpapiere mit Individualität und kleinlich ausgewählten Geschenken füllen, wenn Moneten den Menschen viel mehr bedeuten? Oder wäre es nicht möglich, sich nächstes Jahr vielleicht einfach ein Sammeltaxi zum nächsten Paketshop zu teilen?

Vielleicht habt ihr ja auch das Glück, den ein oder anderen Moralapostel in der Familie zu haben, der vorschlägt, die Geschenke dieses Jahr einfach wegzulassen. Schließlich geht es ja um mehr als Konsum. Doch dann ist es genau dieser Doppelmoralapostel, der unpassende Geschenke für jedermann parat hat. Hoffentlich hat er den Kassenzettel aufgehoben.