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Immer größere Touchdisplays – höheres Sicherheitsrisiko durch Touchscreens? Seit einigen Jahren kommen immer mehr PKWs mit digitalen Bedienelementen wie großen Touchdisplays auf den Markt. Eines der bekanntesten Beispiele ist der US-amerikanische Autobauer Tesla. Doch leidet unter diesen teils großen Touchdisplays die Fahrsicherheit?

Einsatz von Touchdisplays

Tesla verbaut in seinen Modellen bis auf ein paar wenige physische Tasten nur noch ein 15- bzw. 17-Zoll großes zentrales Touchdisplay. Immer mehr andere Automobilhersteller installieren ein oder gar mehrere Touchscreens und verbannen zunehmend physische Tasten wie Regler für die Klimaanlage oder das Radio. Doch das Benutzen dieser Touchdisplays kann zu verheerenden Folgen wie Ablenkung vom Straßenverkehr führen. Dementsprechend stellt sich die Frage: Gehen die Screens auf Kosten der Fahrsicherheit?

Gefahr der Ablenkung

Tesla selbst weist in der Bedienungsanleitung zu Model 3 explizit auf die Gefahr der Ablenkung durch das Display hin. Dass dieser Sicherheitshinweis berechtigt ist, zeigt auch eine Untersuchung des ADAC zusammen mit dem ÖAMTC mit insgesamt 45 Teilnehmenden aus dem Jahr 2020. Dort sollten Testpersonen während der Fahrt einen Straßennamen in das Navi eines Autos eingeben. Während des Tests wurde ein Hindernis platziert. Ganze 87 % der Testpersonen hätten im Ernstfall nicht mehr rechtzeitig bremsen können: 9 von 10 Personen wären mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 43 km/h aufgeprallt. Doch nicht nur die Ablenkung weist Gefahrenpotential auf, sondern auch das Bedienkonzept sicherheitsrelevanter Funktionen steht im Fokus von Tests.

Sicherheitsmängel beim Nutzertest

Im Juli 2022 hat der ADAC genau dies gemeinsam mit Wissenschaftlern der Hochschule Augsburg untersucht. Es testeten 24 Probanden insgesamt sechs verschiedene PKWs in Hinblick auf die Bedienung sicherheitsrelevanter Funktionen.

Tesla schnitt dabei am schlechtesten ab. Nur eine Testperson fand die Taste für den Warnblinker. Diese befindet sich aufgrund des großen Touchdisplays nicht zentral am Armaturenbrett, sondern im Dachhimmel vor dem Innenspiegel. Auch die Nebelschlussleuchte muss der Fahrer bzw. die Fahrerin über einen zentralen Menüpunkt im Touchdisplay aktivieren.

Auswirkungen der Touchbedienung

Im Gesamturteil stellt sich heraus, dass eine auf Touchbedienung basierende Steuerung, wie beim Tesla Model 3, weitreichende negative Auswirkungen haben kann. Dazu gehört, dass der Fahrer bzw. die Fahrerin vom Verkehrsgeschehen abgelenkt werden kann und Probleme bekommen kann, sicherheitsrelevante Funktionen rasch zu aktivieren.

Im Folgenden werden die größten Nachteile der Touchbedienung aufgezählt, da nahezu jedes moderne Fahrzeug mit einem Touchdisplay ausgestattet ist. Der Käufer bzw. die Käuferin eines Neuwagens ist somit gezwungen, sich mit diesem modernen Bedienkonzept und den damit verbundenen Nachteilen auseinanderzusetzen.

Nachteile

  • Ablenkung: Der Fahrer bzw. die Fahrerin kann durch die Bedienung eines Touchdisplays vom Verkehrsgeschehen abgelenkt werden. Ein Sicherheitsrisiko durch Touchscreens. Autobauer warnen hiervor ausdrücklich in ihren Bedienungsanleitungen.
  • Gewohnheit: Ältere Menschen oder technisch nicht so affine Personen tun sich womöglich aufgrund ihren Erfahrungen mit dem Bedienkonzept eines zentralen Touchdisplays schwerer.
  • Fehlende taktile Rückmeldung: Im Gegensatz zu physischen Tasten bieten Touchscreens keine taktile Rückmeldung. Der Fahrer bzw. die Fahrerin kann sich nicht sicher sein, ob er/sie bspw. den korrekten Bereich auf dem Touchdisplay berührt hat. Dies zeigt auch eine Untersuchung der Technischen Hochschule Lübeck in Zusammenarbeit mit Experten der AutoBild, die an einem Peugeot 3008 zahlreiche Bedienungsmängel feststellten. Die klare Empfehlung aller drei Experten: Weitere Tasten mit haptischem Feedback bei wichtigen Funktionen als Alternative zum Touchdisplay.
  • Sicherheit & Komplexität: Fahrrelevante Sicherheitsfunktionen, wie die Einstellungen der Traktionskontrolle oder die Scheibenheizung, findet der Fahrer bzw. die Fahrerin zum Teil lediglich in komplexen Untermenüs. Zum Beispiel: Um die Traktionskontrolle bei einem Tesla Model 3 auszuschalten, muss der Fahrer bzw. die Fahrerin im Touchdisplay den Menüpunkt “Fahrzeug” auswählen, anschließend  im Untermenü “Pedale & Lenkung” finden und darin die Option “Schlupfstart” auswählen.

Doch was sind die Vorteile, die die Autobauer dazu veranlassen, dass Touchdisplays vermehrt Einzug in modernen Fahrzeugen finden? Immerhin sind, wenn man sich die Webseiten der Automobilhersteller ansieht, nahezu alle aktuell angebotenen Modelle mit Touchdisplays ausgestattet.

Vorteile

  • Zentralisierte Bedienung: Touchdisplays zentralisieren die Bedienung von Funktionen im Auto. Dabei fassen Touchdisplays mehrere Funktionen in einem einzigen Display zusammen. So werden bspw. Radio, Klimaanlage und Fahrassistenzsysteme über ein zentrales Display gesteuert, wo sonst zahlreiche Tasten nötig wären.
  • Personalisierung: Der Nutzer bzw. die Nutzerin kann Favoriten sowie bestimmte Bedienelemente auf dem Touchdisplay frei anordnen und dadurch die Bedienung den eigenen Wünschen anpassen. So können bei Tesla im Bereich “Meine Apps” am unteren Displayrand beliebige Apps, wie der Kalender oder die Telefonfunktion (Freisprechanlage) abgelegt werden.
  • Vorteil bei der Herstellung: Die Automobilhersteller sparen sich die Herstellung komplexer Teile und individueller Bedienelemente je nach Sonderausstattung des Fahrzeugs.. Sie müssen keine Rücksicht auf individuelle Konfigurationen aufgrund von Sonderausstattungen nehmen, indem sie lediglich ein zentrales Touchdisplay einbauen. Ausstattungsabhängige Funktionen lassen sich vergleichsweise einfach durch die Software ergänzen.

Wunsch nach einfacher Bedienbarkeit

Die Bedienung eines Autos ist für einen Großteil der Bevölkerung (53,3 %) laut dem VuMa Berichtsband 2021 ein sehr wichtiges Thema. Dazu wurden zuletzt im Jahr 2020 mehr als 23 Tausend Personen über 14 Jahren befragt. Thema war die Wichtigkeit verschiedener Kaufkriterien beim Autokauf, darunter auch die einfache Bedienung des Autos. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov Deutschland GmbH hat im Auftrag der Verkaufsplattform mobile.de im November 2020 eine Umfrage in Bezug auf verschiedene Bedienkonzepte durchgeführt. Teilgenommen haben über 2000 Personen. Demnach bevorzugen mehr als die Hälfte (59,6 %) aller Befragten weiterhin eine Steuerung, die überwiegend auf Tasten basiert.

Ein Blick in die Zukunft

Auch wenn zunehmend mehr PKWs mit Touchdisplays auf den Markt kommen, gibt es zwischen verschiedenen Marken unterschiedliche Ansätze. Erste Automobilhersteller denken bereits darüber nach, nicht nur auf Touchscreens zu setzen. Ein Beispiel ist der südkoreanische Automobilhersteller Hyundai. Dessen Designchef Sang Yup Lee setzt weiterhin auf physische Bedienelemente – der Sicherheit wegen. Dies verriet er der australischen Auto-Website “carsguide” anlässlich der Vorstellung eines neuen SUV.  Es bleibt zu hoffen, dass weitere Automobilhersteller ihre Strategien überdenken und die Sicherheit wieder an erste Stelle über das Design setzen, damit es zu keinem Sicherheitsrisiko durch Touchscreens kommt.

 

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Quellen:

Tesla Deutschland

ADAC-Studie 2020

ADAC-Studie 2022

VuMa-Umfrage via Statista

YouGov Umfrage via mobile.de

carsguide