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Mikrobielle Konsortien verhalten sich wie Indiana Jones bei seinem ersten Filmauftritt. Der Science-Fiction-Autor Neal Stephenson inspirierte 1992 das heutige Metaverse. Die Band Kiss hilft dabei fehlende Befragungsdaten zu ermitteln: Der sechste Applied Science Slam der Hochschule München lässt die Zuschauer staunen.

Applied Science Slam: Wissenschaft trifft Unterhaltung

Ein Science-Slam ist ein Wettbewerb, der hauptsächlich an Universitäten und Hochschulen abgehalten wird. Wissenschaftler präsentieren dort ihre Forschungsthemen vor einem gemischten Publikum. Jeder Teilnehmer hat zehn Minuten Zeit, die Zuschauer zu überzeugen. Science Slams vermitteln Wissen und unterhalten. Die wichtigsten Zutaten: Humor und Wissen.

Fokus auf angewandter Wissenschaft

Am 29.11.2022 fand der „Applied Science Slam Vol. 6“ an der Hochschule München (HM) statt. Seit 2018 veranstaltet die HM den Wettbewerb jedes Semester und legt den Fokus dabei auf die angewandte Wissenschaft. Michael Sachs und Georg Eggers führten selbstironisch durch den Abend. Beide sind selbst Wissenschaftler an der HM: Sachs als Professor für Ingenieursmathematik und Statistik. Eggers ist Physiker und zugleich Kabarettist mit eigenem Bühnenprogramm, der „Physik des Scheiterns“.

Biologie trifft Hollywood

Patrick Hanisch, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fakultät für Wirtschaftsingenieurswesen, verbindet Biologie und Popkultur. Er veranschaulichte die unterschiedliche Typen von Wechselwirkungen mikrobieller Konsortien anhand von  Hollywood-Filmen. Mikrobielle Konsortien sind Ansammlungen von zwei oder mehr bakteriellen oder mikrobiellen Gruppen. Und sie interagieren auf unterschiedliche Art und Weise – ähnlich wie die Akteure in einem Western sich anders verhalten, als in einem Liebesdrama.

Indiana Jones und der fehlende Einfluss auf das Geschehen

Im ersten Beispiel beschreibt Hanisch Konsortien, die aufeinandertreffen, sich aber trotzdem nicht behindern. Er vergleicht diese mit der Beziehung zwischen den Nazis und Indiana Jones im Film „Jäger des verlorenen Schatzes“: „Hier spielt Indiana Jones bis nach dem Höhepunkt des Films keine Rolle für die Story”. In einem weiteren Exempel beschreibt er den Amensalismus, also das Zusammenleben zweier Lebewesen unterschiedlicher Arten, mit dem Plot von Titanic. In beiden Fällen hemmt die eine Partei die andere ohne einen direkten Vorteil zu gewähren. Hanisch argumentiert einer Schlüsselszene des Films, in der Jack ertrinkt muss, weil Rose ihm keinen Platz auf der rettenden Türe gewährt.

Science-Fiction als Innovationsquelle für die Gegenwart

Mit der Frage: „Welches Produkt aus einem Science-Fiction-Film würdet ihr gerne zu Weihnachten bekommen?“ startet Sebastian Planck seinen Beitrag. Die Antwort der meisten Zuschauer: Den Replikator aus Star Trek, eine Maschine, die ohne Energieaufwand jeden Gegenstand vervielfachen oder erst erzeugen kann. Der promovierte Philosoph und Forschungsleiter am Strascheg Center for Entrepreneurship Planck zeigt, dass es den Replikator zwar nicht gibt, aber andere Innovationen aus Science-Fiction-Vorlagen real sind. So hat der Autor Neal Stephenson bereits 1992 in seinem Roman „Snow Crash“ ein Metaversum beschrieben, das dem Metaverse von Mark Zuckerberg ähnelt.

I was made for Missing Values

Als dritter Kandidat an der Reihe ist Christian Janßen, Professor für Gesundheitsförderung und Prävention an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften. Der Vortrag ist nach dem Prinzip „Keep it straight and simple“ kurz Kiss aufgebaut. Entsprechend tönt der Song „I Was Made for Lovin’ You“ der gleichnamigen Hard-Rock-Band aus den Lautsprechern.

Missing Values sind Lücken in Befragungsdaten, mit denen Wissenschaftler kämpfen. Zum Beispiel geben „circa 30 Prozent der Befragten geben keine Auskunft über ihr Einkommen“, erläutert Janßen. Die Lösung lautet: Imputation. Hierbei schätzen Forscher das Gehalt durch andere Angaben, wie zum Beispiel den Beruf und das Alter. Es wäre schön, wenn jede Statistik-Vorlesung so glamourös starten würde.

Hanisch gewinnt den Applied Science Slam mit Hollywood-Biologie

Beim Applied Science-Slam wählen die Zuschauer den Sieger. Der Kandidat mit dem lautesten Applaus gewinnt. Ermittelt wird der durch ein Lautstärkemessgerät. Mit knappem Abstand setzt sich Patrick Hanisch durch und holt sich den ersten Platz. Sein humorvoller Beitrag mit lustigen Beispielen begeisterte das Publikum – und eröffnet ganz neue Perspektiven für den nächsten Kino-Besuch.