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Die letzte Prüfung ist geschrieben, Anspannung und Druck verschwinden. Die Abiturienten feiern, dass sie alle Freiheiten und Möglichkeiten haben. Seit Wochen wurde auf diesen Moment hingearbeitet. Doch jetzt ist alles anders: Die angehenden Abiturienten sitzen momentan zu Hause. Gelernt wird alleine. Sie bekommen Arbeitsblätter und -aufträge per E-Mail. Der Unterricht erfolgt seitdem online – zumindest sollte er das. Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Situation noch angespannter als zuvor. Doch das Abitur 2020 wird stattfinden, obwohl seit Mitte März 2020 die Schulen in ganz Deutschland geschlossen sind.

Universitäten machen es vor

Der Vorlesungsbeginn an deutschen Hochschulen wurde auf den 20. April verschoben. Lehrbeauftragte mancher Hochschulen stellten sogar schon einige Wochen davor Materialien und Skripte für Studierende bereit. Online-Lernangebote und Vorlesungen im virtuellen Klassenzimmer gehören seitdem zum Alltag vieler Studenten.

An den Schulen sieht es anders aus. Zwischen Klassenzimmer mit Beamern und Visualizern gibt es immer noch Klassenzimmer, in denen neben der Tafel nur ein Overheadprojektor steht. Übrigens steht im deutschen Technikmuseum in Berlin ein Overheadprojektor als Ausstellungsobjekt aus den 90ern (Stand Februar 2020). Ist das nicht schön, dass manche Schulen dieses historische Gerät immer noch verwenden?

Digitalpakt Schule

Die Politik diskutiert seit Jahren die einheitliche Digitalisierung in deutschen Klassenzimmern. Bereits im Mai 2019 haben die Bundesregierung und der Bundesrat den Digitalpakt zur Digitalisierung an Schulen beschlossen. Fünf Jahre lang gibt es fünf Milliarden Euro für 40.000 Schulen. Das macht circa 125.000 Euro pro Schule, doch Schulträger beantragen die Förderung bis jetzt nur zögerlich.

Für eine einheitliche Ausstattung ist diese Förderung außerdem nicht ausreichend, im Gegenteil: Einmalig investieren bringt gar nichts, wenn die Angebote nicht kontinuierlich gepflegt und aktualisiert werden. Auch die aufgrund der Corona-Krise Ende März extra bereitgestellten 100 Millionen Euro kommen zu spät. Jetzt von zu Hause das Schulsystem zu modernisieren? Unmöglich.

Ernüchternde Realität für Abiturienten

Stark beeinträchtigt sind insbesondere die angehenden Absolventen, die die Hochschulreife erlangen wollen. Einzelne Bundesländer haben die Prüfungen wie gewohnt stattfinden lassen. Andere haben beschlossen, die Prüfungen auf Ende Mai zu verschieben. Bis dahin wird online unterrichtet.

Jedoch berichtet keiner der Schüler über ein funktionierendes Online-Lernangebot. Stattdessen beklagen Schüler die schlechte Kommunikation und unzureichende Hilfe vor allem jetzt vorm Abitur 2020. Obwohl theoretisch die Grundlagen für einen An- und Ausbau der digitalen Bildungsstrukturen gelegt wurden, hat sich noch nichts geändert. Wo ist jetzt die Digitalisierung, wenn man sie bräuchte?

Corona als Möglichkeit

Die Gemütslage von Lehrern und Schülern ist aufgewühlt und Homeschooling bereitet vielen immer mehr Probleme. Dass es weiterhin große Lücken bei der digitalen Lehre gibt, hat glaube ich inzwischen auch jeder mitbekommen. Die Nachrichten behandeln das Thema seit Wochen.

Auch wenn die Corona-Krise vorerst nur negative Auswirkungen hat, kann das auch eine Chance sein, vielleicht sogar die Chance. Neben den zahlreichen Negativnachrichten könnte es dann viele Positivnachrichten geben: „Der Overheadprojektor wurde endlich abgeschafft!“ oder „Deutschland als Vorreiter der digitalen Lehre!“. Wer weiß. Es bleibt spannend.

 

Falls Sie einen Einblick hinter die Kulissen wollen:

In dem Beitrag Lernen von Zuhause aus? – Heimbeschulung in Zeiten von Covid-19 interviewt Alexander Nopper eine Realschullehrerin aus Oberbayern zum Thema Heimbeschulung.