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Beim Thema Klimawende sehen viele schwarz und malen den ökonomischen Tod Deutschlands an die Wand. Doch viele übersehen die Chancen für die Wirtschaft. Chancen, die Entwarnung versprechen. Nur wer bereit ist sich frühzeitig anzupassen, kann diese Chancen wahrnehmen. Diesen Zeitpunkt aber hat unsere Industrie teilweise schon verpasst. Die Konsequenz: Die Klimawende wird umso schmerzhafter. Um unsere Wirtschaft flexibler zu gestalten, sind dringend wirksame Anstöße der Politik nötig. Denn trotz aller Schwarzseherei erwartet die Bundesrepublik auch positive ökonomische Effekte. Dies ist die Chance, wirtschaftlichen Nutzen aus der Klimawende zu ziehen und den Schmerz der Klimakrise zu lindern.

Beispiel Autobau: Die Einsicht kommt zu spät

Schon 1975 gab es funktionstüchtige wasserstoffbetriebene Prototypen von Fahrzeugen. Damals war es die Ölkrise, die die Innovationskraft der Branche befeuerte. Doch die deutschen Autobauer steckten die Entwicklung von alternativen Antriebstechnologien in die Schublade und öffneten diese Jahre nicht. Jetzt endlich bauen die Automobilhersteller ihre Produktionsanlagen für elektronische Antriebe um. Viel zu spät! Die Konzerne haben es verpasst, frühzeitig in die Umstrukturierung zu investieren. Der Bund hat nicht aufgehört zu subventionieren und ernst zu nehmende politische Anzeichen für Kursänderungen gab es vor Greta Thunberg nicht. Das kostet vielen ArbeitnehmerInnen ihren Arbeitsplatz.

Beispiel Kohle: Frühzeitiges Handeln hätte Schäden vermieden

Der Klimawandel kommt nicht plötzlich. Schon im letzten Jahrhundert war sich Politik und Industrie des Treibhauseffektes und dessen Folgen bewusst. Erst durch den gesellschaftlichen Druck kam die Einsicht. Der wirtschaftliche Schaden in Form von Arbeitsplatzabbau und Gewinneinbußen ist nicht die Schuld der umweltschonenden Politik, sondern die Schuld der späten umweltschonenden Politik. Hätten die Verantwortlichen vor 30 Jahren schon aufgehört neue Kohlekraftwerke zu bauen, wäre die Kohleindustrie in Würde gestorben. Menschen wären nicht arbeitslos geworden, sondern wären nach und nach in Rente gegangen. Energiekonzerne hätten allmählich grünen Strom in das Netz einspeisen können und Autobauern wäre es leichter gefallen Produkte anzupassen.

Trotz allem: Deutschland ist im Vorteil

Trotz allem ist Deutschland im Wettbewerbsvorteil. Unsere globalisierten Unternehmen, unsere geografische Lage inmitten des größten Binnenmarktes der Welt und die Beliebtheit deutscher Technologie machen uns zur drittgrößten Exportnation der Welt. Die Nachfrage nach neuen Technologien steigt dann, wenn es in anderen Ländern durch den Klimawandel rauer zugeht. Diese könnte Deutschland stillen. Der Chemiekonzern BASF beispielsweise, entwickelt einen Verbundstoff, der Strommasten resistenter gegen wetterbedingte Kräfte macht, und sorgt so für stabilere Stromnetze in Krisengebiete. Auch für nachhaltige Produkte wird der Markt größer, seien es deutsche Windturbinen oder Batteriezellen. Deutschland muss nur auf den Zug mit aufspringen und seine „grüne Industrie“ mehr wertschätzen.

Weniger wert: Jobs der Solarbranche

Derzeit aber sind unsere Exportschlager nicht gerade grün. Dafür müsste der Staat aufhören, klimaschädliches Verhalten zu subventionieren und anfangen, klimafreundliches Verhalten zu fördern. China zum Beispiel machte die Subventionierung der Solarbranche zum größten Exporteur von Solaranlagen der Welt. Deutschland war auch gut dabei, nach einer Welle von Subventionen in den 2000er Jahren erfreuten sich deutsche Fotovoltaikprodukte großer Beliebtheit. Doch nach Einbruch der Solarpreise durch Preis-Dumping, verursacht durch die stärker subventionierte chinesische Solarindustrie, ging die deutsche vor die Hunde. Der Staat hatte damals kein Interesse, die Branche zu retten und so blieben von den 133.000 Arbeitsplätzen in der Branche im Jahr 2010 heute noch rund 33.000 übrig. Zum Vergleich: In den Braunkohleabbaugebieten stehen insgesamt 21.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel und der Bund zahlt den Betreibern des Kohletagebaus insgesamt 4,5 Milliarden Euro Entschädigung. Die betroffenen Länder bekommen Hilfen zum Strukturwandel in Höhe von 40 Milliarden Euro.

Besserung ist in Sicht, aber noch weit entfernt

So langsam lernt die Bundesregierung aus ihren Fehlern. CDU, SPD und Grüne verdoppeln den CO2-Preis und vergünstigen Bahntickets im verschärften Klimapaket. Viel zu langsam! Es fehlen Investitionen in zukunftsfähige Industrie. Doch noch immer bestraft der Bund klimaschädliches Verhalten zu mild und belohnt Klimaförderndes zu gering. Die Klimawende ist nicht das Problem. Sie ist die Lösung. Aber nicht, wenn die Politik nicht mitspielt. Wenn das Zuckerbrot den Innovationsmotor nicht auf Hochtouren bringt, dann muss es eben die Peitsche. Der Wandel wird kommen. Die Frage ist was sich zuerst wandelt – weiterhin das Klima oder vielleicht doch endlich Politik und Industrie?