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Die Luftfahrt steht nicht erst seit Kurzem in der Kritik. Flugzeuge stoßen viel CO2 aus und tragen damit einen beträchtlichen Teil zur Klimaerwärmung bei. Professor Josef Kallo forscht daran, die Luftfahrt zu revolutionieren – mit der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie.

Mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 verpflichtete sich die Weltgemeinschaft bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts keine Treibhausgasemissionen mehr zu verursachen oder diese vollständig zu kompensieren. Vor allem Industriestaaten wie Deutschland müssen ihre Emissionen drastisch reduzieren, auch im Verkehrssektor. Die Arbeit des Elektrotechnik-Ingenieurs an einem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Flugzeug könnte einen Teil dazu beitragen.

Interviewpartner Kallo zum Thema Luftfahrt der Zukunft

Professor Josef Kallo (Bild: privat)

Josef Kallo ist Direktor am Institut für Energiewandlung und -speicherung der Universität Ulm. Zudem leitet er die Forschungsgruppe „Energiesystemintegration“ am Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Interview beantwortet er uns Fragen zum Fliegen der Zukunft.

Sie entwickeln neue Antriebskonzepte für die Luftfahrt. Wie sind Sie persönlich zu diesem Forschungsbereich gekommen?

Mit 18, 19 Jahren habe ich realisiert, dass wir pro Tag hunderte Millionen Liter Öl verbrauchen beziehungsweise umwandeln. Die Erkenntnis hat mich dazu gebracht, technisch arbeiten zu wollen und mich mit Energieumwandlung zu beschäftigen. Und zu den Flugzeugantrieben: Ich bin selbst leidenschaftlicher Pilot. Wenn wir aber nichts tun, werde ich das in zehn bis fünfzehn Jahren nicht mehr ausüben können oder ausüben dürfen. Ich sagte mir, ich würde gern einen Beitrag dazu leisten, dass ich auch weiterhin Fliegen kann.

Die Automobilbranche setzt auf batteriebetriebene Elektroautos. Geht das auch bei Flugzeugen?

Um Flugzeuge zum Fliegen zu bringen, sind Batterien nicht geeignet. Sie sind einfach zu schwer. Wir setzen beim Antrieb auf Wasserstoff-Brennstoffzellen. Bei längeren Strecken kommt, wenn überhaupt, nur eine Gasturbine, die Wasserstoff verbrennt in Frage. Bei großen Reichweiten muss ich gestehen, dass synthetisches Kerosin die einzige Möglichkeit ist.

Kann mit Wasserstoff-Brennstoffzellen schon geflogen werden?

Bei kleinen Sport- oder Business-Fliegern mit vier, sechs, acht, vielleicht auch zehn Passagieren, zeigt die Erfahrung, dass es nur eine Frage von Zeit und Geld ist. Meiner Meinung nach ist es möglich, ein solches Flugzeug mit einer Reichweite von 1.000 bis 1.200 Kilometern in sieben Jahren zu bauen. Am DLR haben wir das weltweit erste viersitzige Passagierflugzeug mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie und Elektroantrieb entwickelt. Die Hy4 ist 2016 das erste Mal geflogen – komplett emissionsfrei.

Flugzeug Hy4 revolutioniert die Luftfahrt 2016

Hy4 – erstes Passagierflugzeug mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie und Elektroantrieb (Bild: privat)

Sie sagten bereits, dass der Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb bei größeren Reichweiten an seine Grenzen kommt. Wo liegt die Grenze für die Luftfahrt?

Im Regionalverkehr mit Flugzeugen im Bereich von 40 bis 100 Passagieren sehe ich tatsächlich eine sehr interessante Möglichkeit, mit dem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb eine Reichweite von 1.500 bis 2.000 Kilometer zu erreichen. So könnten am Tag drei Strecken á 400 Kilometer geflogen werden. Aus heutiger Sicht ist die Grenze des Machbaren bei 160 Passagieren und etwas über 2000 Kilometern Reichweite.

Das klingt teuer. Wo kann die Wasserstoff-Brennstoff-Technologie in etwa preislich eingeordnet werden?

Momentan gehen wir bei einem Vergleich natürlich noch von fossilem Kerosin aus. In zehn, zwölf Jahren sollte es synthetisches Kerosin in großen Mengen aus erneuerbaren Quellen geben. Wasserstoff liegt dann preislich zwischen dem fossilen und synthetischen Kerosin. In den ersten Jahren muss es irgendein Incentive, einen Anreiz, geben. So weh das auch tut. Nur so lässt es sich wirklich umsetzen.

Wann kann der „normale“ Fluggast mit einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug von A nach B fliegen?

Aus meinem gesamten technologischen Verständnis ist es tatsächlich heute machbar. Aber es wird sicher zehn, fünfzehn – also eher fünfzehn Jahre – dauern. In Leipzig wird die Dornier 328, ein Passagierflugzeug mit bis zu 40 Sitzplätzen, neu angefahren. Ich würde mir heute zutrauen zu sagen, dass es tatsächlich möglich ist, dieses Flugzeug mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb auszustatten und damit zu fliegen.

Bis zur Treibhausgasneutralität ist es noch ein langer Weg. Aber es scheint nicht unmöglich zu sein. „Ein sehr, sehr optimistisches Bild zeichnet sich in der Luftfahrt ab“, bestätigt Kallo. Welche Wege die Automobilbranche zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens geht, lesen Sie in „Brennstoffzellen statt Batterien: Unser Verkehr der Zukunft“.

Vielen Dank für das Interview!