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Die Digitalisierung macht auch vor dem Sport keinen Halt. Ein Schlüsselbegriff in diesem Kontext ist „Big Data“. Wir sprechen mit einem Experten für Sport-Daten. Sven Tröster ist Chefredakteur bei Opta, Perform Media Deutschland, dem weltweit führenden Anbieter von Sport-Daten.

Opta analysiert, speichert und vertreibt Sport-Daten. Es gibt heute mehr Daten als je zuvor. Herr Tröster, wie kommen diese Daten zustande?

Sven Tröster: Im Fußball gibt es bei uns zwei Analysten pro Spiel, die jeweils für das Heim- beziehungsweise Auswärtsteam zuständig sind. Alle Aktionen, die mit dem Ball passieren, werden gleichzeitig mit den XY-Koordinaten[(1)] und einem Timecode erfasst. Anhand der Abfolge erkennt die Software, ob es ein Zuspiel oder ein Fehlpass war. Man gibt beispielsweise einen Pass von Spieler A zu Spieler B ein. Das Programm erkennt, ob Spieler B ein Mitspieler oder ein Gegner von Spieler A ist.

Welche Daten werden im Fußball analysiert und welche Parameter sind dabei entscheidend?

Sven Tröster: Wir analysieren nur die Daten, die mit dem Ball passieren. Dazu zählen alle gängigen Parameter: Dribblings, Pässe, Flanken, Eckstöße oder Torschüsse. Trackingdaten laufen momentan noch getrennt.

Von wem und wie werden die Daten genutzt?

Sven Tröster: Da gibt es verschiedene Bereiche. Medien nutzen die Daten zum Beispiel für Spielervergleiche oder historische Analysen. Vereine und Verbände sind an deutlich detaillierteren Daten interessiert, um Schwächen und Stärken zu analysieren und somit optimale Spiel- und Trainingsvorbereitungen zu ermöglichen. Ein in Deutschland weniger relevanter Bereich sind Sportwetten. Wettanbieter beziehen unsere Daten, um Quoten auf Gegebenheiten im Spiel anzupassen. Zudem gibt es noch Sponsoren, die unsere Daten für Werbemaßnahmen verwenden. Meist haben diese ein Testimonial dabei, das eingebunden wird.

Dabei kann es sicherlich auch einmal passieren, dass Daten fehlerhaft sind. Wie macht sich das bemerkbar?

Sven Tröster: Absolut. Noch sind, wie auch am Fußballplatz, Menschen am Werk. Denen unterlaufen nun einmal Fehler. Teilweise passiert so viel innerhalb kürzester Zeit, dass selbst der erprobte Analyst an seine Grenzen gelangt. In allen wichtigen Ligen und Wettbewerben werden hinterher jedoch „Post Match Analysen“ durchgeführt. Man kann sagen, dass dann die Qualität mittlerweile bei nahezu 100 % liegt.

Welchen Einfluss haben die Daten auf das Spiel?

Sven Tröster: Meiner Meinung nach ergänzen die Daten das Spiel, sowohl für die Zuschauer als auch für Spieler und Trainer. Die Trainer versuchen natürlich, alle möglichen Vorteile herauszuholen. Ob das hinterher wirklich einen Nutzen hat, kann man schlecht sagen. Dafür hat ein Fußballspiel zu viele Unwägbarkeiten, zu viele Spieler sind daran beteiligt. Ich kann zehn Leute in Topform haben, aber wenn mein Torwart an dem Tag keine Topform hat, sind alle im Vorfeld einbezogenen Daten umsonst. Ich habe geplant, ich habe analysiert, aber in die Köpfe der Menschen kommt man trotzdem nur bis zu einem bestimmten Grad hinein.

Für mich ist das beruhigend, da das Fußballspiel somit vermutlich in 20 Jahren noch sehr ähnlich zum heutigen Spiel sein wird. Auch wenn mit Hilfe von Digitalisierung und zusätzlicher Information, vielleicht hier und da noch ein halber Prozentpunkt mehr herausgeholt wird. Ich glaube nicht, dass dies das Spiel planbarer macht und wenn nur in Nuancen und unter bestimmten Voraussetzungen.

Sie würden also sagen, Erfolg ist auf Dauer nicht von Datenanalyse abhängig?

Sven Tröster: Man kann sich vielleicht temporär einen Vorteil verschaffen. Eine Möglichkeit wäre, als Verein selbst zu investieren, um eine neue Technologie zu nutzen, die kein Gegner hat. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass es irgendwann den entscheidenden Parameter gibt. Einen Parameter, der einen so weit nach vorne bringt, dass die ganzen anderen Elemente des Fußballspiels in den Hintergrund rücken.

Das heißt, Big Data ersetzt auch in Zukunft nicht die Arbeit der Trainer?

Sven Tröster: Nein, Digitalisierung nimmt den Trainern und ihren Mitarbeitern zwar viel Arbeit ab, aber die Trainer müssen die Spieler immer noch erreichen, sie unterstützen. Klar kann man zum Beispiel über Passquoten feststellen, dass es bestimmte Defizite gibt. Auch die Möglichkeiten daran zu arbeiten haben sich geändert. Jedoch arbeitet jeder individuell. Das ist auch gut so, sonst spielen irgendwann alle Mannschaften gleich.

Big Data ist natürlich bei weitem nicht die einzige technologische Entwicklung im Fußball. Auch der Einsatz von VR oder Drohnen ist immer häufiger ein Thema. Welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach Technologie allgemein auf den Fußball?

Sven Tröster: Was den VAR[(2)] betrifft, hat Technologie natürlich großen Einfluss. Da konnten wir in der vergangenen Bundesligasaison schon beobachten:  wie oft eingegriffen wurde, wie viele Tore abgepfiffen wurden, wie viele Elfmeter nachträglich gegeben wurden. Das ändert natürlich den Fußball auch für die Fans. Da geht schon einiges an Emotionalität und Spontanität verloren.

Während die Torlinientechnik, bei der die Entscheidung innerhalb von Sekunden getroffen wird, äußerst positiv zu betrachten ist. Diese Technik macht das Spiel ein bisschen gerechter. Leider gibt es im Fußball nicht immer nur schwarz oder weiß, deshalb ist eine absolute Gerechtigkeit kaum erreichbar.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Welche digitale Technologie wird bald eine tragende Rolle spielen?

Sven Tröster: Bezogen auf den Fußball und unsere Daten, ist sicherlich das „Tracking“ interessant. Es ist momentan noch niemand auf dem Markt, der die Trackingdaten synchron zu den jeweiligen Ballaktionen der Spieler erfasst. Das könnte etwas sein, was in naher Zukunft umgesetzt wird, weil es einen großen Mehrwert hätte. Die Frage ist natürlich, ob die technische Umsetzbarkeit und die finanziellen Mittel gegeben sind. Da im Fußball viel Geld vorhanden ist und man sich auch temporär einen Vorteil erhofft, vermute ich, dass dies schon in naher Zukunft passieren dürfte.

Herr Tröster, vielen Dank für das Interview.

XY-Koordinaten sind die Positionierungen der Spieler in jeder Sekunde in der X- und der Y-Richtung. Die Z-Richtung wird nicht erfasst.
Der VAR (Video Assistant Referee) ist ein Schiedsrichterassistent, der die Entscheidungen des Hauptschiedsrichters mit Videoaufnahmen und einem Headset zur Kommunikation überprüft.