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Interview mit Chris-Carolin Schön und Christoph Then

Am 07.05.2018 fand das erste Science Café der Münchner Volkshochschule in Kooperation mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften statt. Die Gewinner des Science-Slams im Februar, Chris-Carolin Schön (Inhaberin des Lehrstuhls für Pflanzenzüchtung an der TUM) und Christoph Then (Geschäftsführer Testbiotech e. V.), diskutierten Chancen und Risiken des Genome-Editing nach der CRISPR/Cas-Methode. Mit dieser Technologie können Wissenschaftler sich die DNA-Reparatur-Prozesse der Zelle zunutze machen und mit geringem Aufwand das Erbgut von Pflanzen und anderen Organismen verändern. Oftmals ist die Veränderung im Nachgang kaum nachweisbar.

Frau Prof. Chris-Carolin Schön. Foto: Tom Freudenberg Herr Dr. Christoph Then. Foto: Testbiotech

Frau Prof. Schön, würden Sie kurz zusammenfassen um was es bei Genome-Editing genau geht?

Chris-Carolin Schön: Gern. Das Genome-Editing verändert den DNA-Code entweder dadurch, dass einzelne Buchstaben ausgetauscht werden oder verloren gehen. Es kann auch mehr als ein Buchstabe ersetzt werden oder wegfallen. Das passiert, indem die sogenannte Genschere, ein System aus RNA und Proteinen, eingebracht wird. Die Veränderung wird an einer ganz speziellen Stelle vorgenommen.

Wie unterscheidet sich dieses Verfahren von der herkömmlichen Gentechnik?

Chris-Carolin Schön: Die bisherigen gentechnischen Veränderungen basieren meist auf Transgentechnologie. Zum Beispiel wurden Bakteriengene in Pflanzen eingebracht. Das Gentechnikgesetz definiert, dass gentechnisch veränderte Organismen vor allem die sind, die durch natürliche Kreuzung oder Mutation nicht zustande kommen könnten. Das ist bei Genome-Editing anders, da die Veränderungen durch natürliche Mutation oder auch Kreuzung zustande kommen können.

Frau Prof. Schön, welche Vorteile versprechen Sie sich von Genome-Editing?

Chris-Carolin Schön: Die Möglichkeiten sind sehr weitreichend. Wir können natürliche Variationen nutzen und davon lernen. Zum Beispiel können wir erkennen, dass eine Pflanze über ein spezifisches Resistenzgen verfügt. Eine andere Pflanze kann ein anderes Gen haben, das dieselbe Funktion erfüllt, aber nicht zur Resistenz führt. Man kann eine andere Pflanze entsprechend editieren, um sie resistent zu machen. Man kann natürlich auch neue Variationen für Merkmale schaffen, für die es bisher keine natürlichen Variationen gibt.

Aber die Methode hat natürlich auch unglaubliches Potenzial in der Forschung. Wir können heute die Funktionen eines speziellen Gens daraus ableiten, es ausschalten, übertragen oder testen.

Ein Problem des Genome-Editing ist die rechtliche Einordnung. Einige Experten schlagen sogar vor, dass genom-editierte Organismen gar nicht als gentechnisch-veränderte Organismen (GVO) eingeordnet werden, sondern als aus herkömmlicher Zucht stammende Organismen. Wo sehen Sie da Schwierigkeiten, Herr Dr. Then?

Christoph Then: Es gibt eben sehr wohl grundlegende Unterschiede zwischen dem, was Genome-Editing kann und dem, was man durch Zufallsmutationen erhält. Das Muster der genetischen Veränderung ist auch grundsätzlich unterschiedlich. Man erhält Pflanzen und Tiere mit biologischen Eigenschaften, die vorher nicht vorhanden waren und die muss man untersuchen. Das kann man aber nur, wenn es ein Zulassungsverfahren gibt, in dem die Firma gezwungen wird, bestimmte Daten vorzulegen. Nur dann kann ich mir als unabhängiger Experte eine Meinung bilden.

Das ist sehr wichtig bei einer Technologie, die zum Teil weit über das hinausgeht, was die bisherige Gentechnik konnte. Sie kann Erbgut radikal umgestalten und grundlegender in das genomische System eingreifen als die Transgentechnologie oder die herkömmliche Zucht.

Es gibt die Befürchtung, dass Unkraut durch Auskreuzung Resistenzen übernimmt, beispielsweise gegen Herbizide, also Unkrautvernichtungsmittel. Wie sind da die Erfahrungswerte?

Chris-Carolin Schön: Wenn die Arten nicht kreuzbar sind, dann ist diese Wahrscheinlichkeit eigentlich zu vernachlässigen.

Selbst wenn die Herbizidresistenz auskreuzen sollte, hat das Unkraut natürlich nur einen Vorteil, wenn dieses Herbizid angewendet wird. Ich kann auch die Angst vor einer Art Superorganismus nicht verstehen, der sich entwickelt und alle anderen Organismen verdrängt. Dazu müsste er ja einen Fitnessvorteil haben. Wenn er diesen Vorteil aber nicht hat, weil gar kein Herbizid gegeben wird, warum sollte er sich dann ausbreiten?

Christoph Then: Da weiß ich ein schönes Beispiel. Fast alle Pflanzen, die mit bisheriger Gentechnik verändert wurden, wurden resistent gemacht gegen Glyphosat. Ein neues Enzym ermöglichte es, das Glyphosat abzubauen. Es wurde immer davor gewarnt, dass dieser Raps sich beispielsweise in Europa ausbreiten könnte, wo es auch Wildpopulationen gibt. Der Raps kann selbst zum Unkraut werden und in verwandte Wildkräuter auskreuzen.

Die Zulassungsbehörde hat genau diese Argumentation vorgebracht: Der Raps habe nur einen Vorteil, wenn gleichzeitig auch Glyphosat gespritzt wird.

Jetzt, nach 20 Jahren Anbau, stellt sich aber heraus, dass dieses Enzym eine Interferenz mit dem Wachstumshormon der Pflanzen hat, also eine Wechselwirkung. Das bedeutet, dass in den Pflanzen, die dieses zusätzliche Enzym produzieren, auch gleichzeitig der Stoffwechsel beeinträchtigt ist und mehr Wachstumshormone gebildet werden. Die Pflanzen haben aufgrund dieses neuen Enzyms, unabhängig vom Glyphosat, einen Überlebensvorteil. Sie wachsen besser und stärker, sie bilden mehr Früchte und Samen. Wirkt Stress auf die Pflanze ein, wird dieser Effekt noch verstärkt.

Was mir ganz wichtig daran ist: Auch nach 20 Jahren gibt es neue, unvorhergesehene Zusammenhänge, die erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit dieser Pflanzen haben.

Es wurde im Labor ein Instrumentarium entwickelt, das technisch bewundernswert ist. Trotzdem ist eine Kontrolle nötig, um dessen richtige Funktion zu überprüfen.

Aber ist es realistisch, dass man sich wirklich hinreichend absichern kann?

Chris-Carolin Schön: Keine Technologie ist ohne Risiko. Wir würden noch in der Steinzeit leben, wenn wir nie eine Technik adaptiert hätten.

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