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Die Lebensmittelverschwendung ist ein gravierendes Problem unserer Konsumgesellschaft. Neben gemeinnützigen Institutionen gibt es die Möglichkeit, übrig gebliebene Nahrungsmittel zu einem günstigeren Preis an Abnehmer zu vermitteln. Wir haben uns das am Beispiel der App „Too Good To Go“ genauer angeschaut.

Jeder in Bayern wirft pro Jahr durchschnittlich rund 65 Kilogramm Essen in den Müll. Hinzu kommen etliche Tonnen Lebensmittelabfall, die bei der Produktion, im Handel oder in der Gastronomie anfallen. Bayernweit summiert sich das auf 1,3 Millionen Tonnen jährlich. Es gibt bereits einige Initiativen, wie die Tafeln der Städte oder Konzepte wie Foodsharing, die sich gegen die Lebensmittelverschwendung einsetzen. „Too Good To Go“ gehört dazu.

App vermittelt übriggebliebene Nahrungsmittel

Die Idee zur App, die übersetzt „zu gut zum Wegwerfen“ heißt, stammt vom gleichnamigen dänischen Foodtech-Start-up. Seit 2015 ist sie für Android- und Apple-Geräte erhältlich und wird mittlerweile in zwölf Ländern genutzt. Auch in München machen bereits mehr als 200 Einzelhändler und Gastronomiebetriebe mit.

Die Funktion ist schnell erklärt. Bei „Too Good To Go“ verkaufen registrierte Unternehmen ihre übrig gebliebenen Lebensmittel und Speisen kurz vor Ladenschluss zu einem günstigeren Preis als üblich. Bio-Supermärkte gehen mit gutem Beispiel voran und bieten restliches Obst, Gemüse und Backwaren an. Doch nicht nur im Einzelhandel landen noch genießbare Nahrungsmittel in der Tonne. Deutlich mehr Lebensmittelabfall entsteht in der Gastronomie.

Cafés, Restaurants und Hotels setzen sich gegen Lebensmittelverschwendung ein

Das Bewusstsein, Essen nicht wegzuwerfen und gegen Verschwendung vorzugehen, gibt es schon lange. Neu am Konzept des Start-ups ist der einfache Kontakt zwischen Verkäufern und Käufern. Gerade für die Gastronomie war es bisher schwierig, zubereitete Speisen vor der Tonne zu bewahren. Deshalb schätzen immer mehr Betreiber von Cafés, Restaurants und Hotels die App „Too Good To Go“.

Auch Mariam A., Inhaberin der kleinen Bäckerei „Café Mohnblume“ im Münchner Stadtteil Riem, verkauft überschüssige Backwaren mit „Too Good To Go“. Wie alle anderen teilnehmenden Betriebe, beschreibt sie in der App kurz, was bei ihr übrig bleibt und wann die Waren abgeholt werden können. Mit einem Klick reservieren die Kunden ihre Portion. Den fälligen Betrag bezahlen sie zum Beispiel mit Apple Pay, durchschnittlich sind das 3,50 Euro.

„Ungefähr 1,5 Monate bin ich jetzt dabei“, sagt Mariam. „Eine Kundin hat mich auf die Idee gebracht, das auszuprobieren.“ Es laufe gut, berichtet sie. Während sie spricht, packt sie Brezen, Semmeln und Plunderteilchen in die Tasche, die der Kunde selbst mitbringt. Wenig Verpackungsmüll ist die Folge.

Lebensmittel günstig verkaufen oder spenden?

Wie ging die Bäckereiinhaberin vor der App mit Lebensmitteln um, die sie nicht loswerden konnte? „Ich spende noch immer einen Teil der Tafel.“ Früher ging das gesamte übrig gebliebene Sortiment an die gemeinnützige Einrichtung. Das Problem dabei war, dass sie damit keinen Cent verdienen konnte. „Mit der App bekomme ich zumindest noch ein bisschen was dafür.“ Ein erster, wenngleich ,nur‘ moralischer Konflikt: Lebensmittel spenden oder zu einem geringen Preis verkaufen?

Nicht alle Betriebe handhaben das so fair wie das „Café Mohnblume“, sondern setzen voll und ganz auf den Verkauf. Gerade kleine Bäckereien, Cafés und Imbisse sind oft auf jeden Cent angewiesen. Hier taucht allerdings das nächste Problem auf: die Verkaufsprovision. Rund 30 Prozent des Verkaufspreises gehen an „Too Good To Go“. Bemessen am geringen Umsatz ist das relativ viel. Vor allem, weil es primär darum geht, Essen vor der Tonne zu retten. Das funktioniert.

Allein im März 2020 retteten die User in Deutschland 244.142 Essensportionen. Ein guter Anfang. Trotzdem: Ungefähr 53 Prozent des Lebensmittelabfalls produzieren wir laut einer Studie des Kompetenzzentrums für Ernährung in unseren eigenen vier Wänden. Ob alles, was bei uns im Müll landet, wirklich für die Tonne ist?