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Die durchschnittliche Bildschirmzeit pro Person in Deutschland beträgt im Jahr 2022 zehn ganze Stunden. Wir verbringen also mehr Zeit damit auf flackernde Displays zu starren als zu schlafen. Negative Folgen für körperliche und psychische Gesundheit dank dem Verlangen nach Social Media sind vorprogrammiert.

Ein überwältigendes Angebot

Schon morgens vor dem Aufstehen füttern viele ihr Hirn mit sozialen Medien. Die Versuchung ist groß und Smartphones unsere ständigen Begleiter. Nie war es so leicht auf Informationen zuzugreifen und uns zu vernetzen – oder uns im endlosen Ozean aus Content zu verlieren. Denn ständige Verfügbarkeit führt zu unkontrolliertem Konsum.

Ein kurzer Blick auf das Mobiltelefon, um die Uhrzeit zu checken, und das Tor für digitale Ablenkungen aller Art steht offen. Egal ob in Bus oder Bahn, beim Essen mit Familie und Freunden, während der Arbeit oder in der Schule bzw. Universität – Push-Mitteilungen auf unserem Display laden uns ein, aus der echten Welt zu entfliehen. Der nächste Kick ist nur einen Klick entfernt.

Die digitale Welt erscheint uns interessanter als der Alltag im Studium oder bei der Arbeit. Ein Gefühl von Langeweile oder der Reiz der Überforderung lösen eine reflexartige Reaktion aus: Hand ans Handy – Selbstregulation Fehlanzeige.

Dopamin – Das Spiel mit dem Glück

Chats, Sportnachrichten, News zum dritten Weltkrieg – wir wollen Dopamin und kriegen davon nicht genug.

Der Cliffhanger der letzten Episode lässt uns gefesselt die zehn Sekunden bis zur automatischen Wiedergabe der nächsten Folge vor Netflix auf die Fortsetzung warten. Sehr kurze, pointierte Videos auf Tiktok – ein Highlight jagt das nächste – lassen unser Zeitgefühl verschwinden und ziehen uns in ihren Bann. Auf Instagram scrollen wir ohne Ende durch Stories und Beiträge von Freunden und Fremden und blicken wie gebannt auf das Antlitz vermeintlich perfekter Menschen.

Wir führen ein Leben abseits des Moments. Das Streben nach einem langanhaltenden Zufriedenheitsgefühl bleibt dabei jedoch auf der Strecke.

Alles fake – Das Spiel mit der Hoffnung

Im Netz ist fast nichts wie es scheint. Auf sozialen Medien geht es vorrangig um Selbstdarstellung und Vermarktung. Barbies und Kens verkaufen uns unerreichbare Schönheitsideale, Hand in Hand mit den notwendigen Hilfsmitteln, diese zu erreichen. Wer träumt schließlich nicht auch davon, einmal so zu leben, wie die Kardashians? Doch der Schein trügt.

Auch wenn wir das zu wissen glauben, fällt es uns schwer, uns vor den Einflüssen von Social-Media zu schützen. Unser Drang nach Selbstoptimierung prädestiniert uns für das perverse Spiel mit der Hoffnung, insbesondere Menschen mit vermindertem Selbstwertgefühl, Depressionen oder Suchtkrankheiten. Zweifelnde suchen die glänzende Fassade der Influencer wie Motten das Licht – die leeren Versprechen der Unternehmen sind der Kescher, um sie zu fangen. So werden sie erst zu Opfern der Werbetricks, bevor sie zu Kunden der angepriesenen Produkte werden.

Besonders Kinder sind leicht zu beeinflussen. Die Unterscheidung zwischen Realität und Marketing fällt ihnen schwer. Minderjährige sehen Influencer als Vorbilder. Um so schön und beliebt zu sein wie sie, kaufen Sie mit dem Geld der Eltern die Produkte ihrer Lieblingsstars. In Folge dessen, nehmen Komplexe, beispielsweise eine negative Selbstwahrnehmung der eigenen Äußerlichkeiten, bei Jugendlichen in Verbindung mit sozialen Medien zu.

Die Dosis macht das Gift

Sich dem allgegenwärtigen Überangebot der digitalen Medien zu entziehen, gleicht dem Versuch sich mit einer Sonnenbrille vor Blendgranaten zu schützen.

Der Mensch ist nicht gemacht für einen Alltag geprägt von ständiger Versuchung. Die neue, digitale Welt mit all ihren Reizen zermürbt uns. Wenn unsere Aufmerksamkeitsspannen verkümmern, wir uns kaum noch bewegen, schlecht schlafen und unzufrieden mit uns selbst sind, wird „Digital Detox“ zum Pflichtprogramm.

Ein Weg zurück in die Welt vor dem Internet, mit all ihren Vor- und Nachteilen, ist weder möglich noch wünschenswert. Umso mehr ist ein neuer, reflektierter Umgang mit digitalen Medien unbedingt notwendig. Andernfalls werden wir in ein paar Jahrzehnten kopfschüttelnd mit kaputter Psyche und Haltungsschäden auf heute zurückblicken.

 

Quellen:

In Deutschland steigt die Bildschirmzeit auf 10 Stunden pro Tag | Gigaset Blog

https://www.nzz.ch/wissenschaft/social-media-gefahren-fuer-kinder-und-verantwortung-der-eltern-ld.1626875

 

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